Noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit hatten wir eine so reichhaltige Auswahl an Lebensmitteln wie heute. Und wir wollen sie am besten rund um die Uhr verfügbar haben. Längst kann man Angebote der Supermarktketten, die Frischeprodukte vom nächsten Biobauern oder Feinkostraritäten aus Übersee per App nach Hause liefern lassen. Lieferdienste sorgen teils für Same-Day-Delivery und deren Algorithmen für nutzerbezogene Angebote.

Die Gestaltung der „letzten Meile“ löst die kühnsten Science-Fiction- Verheißungen ein: Das Tech-Unternehmen Starship Technologies hat beispielsweise gemeinsam mit dem Caterer Sodexo Anfang des Jahres einen „Lieferbot“ auf einem Unicampus in Washington eingeführt. Studenten und Dozenten können über eine App gegen Gebühr Lebensmittel und Getränke bestellen, die ihnen dann innerhalb kürzester Zeit von einem der 25 Roboter gebracht werden.

Illustrationen © Joppe Berlin/ GDI 2019

Lieferung per Drohne.

Nicht mehr lange und die Zustellung erfolgt per Lieferdrohne. Amazon plant in den nächsten Jahren Versuche mit schwebenden Warenlagern, die von kleinen Flugdrohnen angesteuert werden. Der Autobauer Daimler arbeitet seit 2015 in Kooperation mit Matternet, einem Transport-Drohnen-Start-up, an der Idee „Vans & Drones“: Ein Mercedes-Transporter dient als Empfangsstation und Landeplatz für Drohnen, die sich in einer Straße wie ein Schwarm verteilen und über Fenster und Balkontüren Lieferungen zustellen. Allerdings steckt die Einsetzbarkeit von Lieferdrohnen noch in Testphasen. Es kommt immer wieder zu Abstürzen.

Die GDI-Zukunftsforscher gehen jedenfalls davon aus, dass sich mit der Zunahme von Delivery-Angeboten insbesondere die Gastronomielandschaft fundamental ändert: Produktion und Konsum entfernen sich immer mehr voneinander. Im Extremfall existiert das Restaurant bloß noch auf einer Online-Plattform, kein Gast setzt je einen Fuß hinein. Ein Beispiel für so ein virtuelles Restaurantkonzept ist SushiYaa in Dallas: Die kleine Sushi-Kette betreibt fünf physische Restaurants unter ihrem eigentlichen Namen – doch in ihren Küchen werden auch Gerichte für rund zwei Dutzend virtuelle Restaurants zubereitet, die ganz andere Angebote haben und nur über Uber Eats erhältlich sind.

Die Schweizer Bank UBS rechnet gemäß einem Research-Report mit einem jährlichen Umsatzwachstum der weltweiten Lieferdienste und virtuellen Restaurantketten von 35 auf 365 Milliarden US-Dollar bis 2030. Und dabei sind virtuelle Supermärkte noch nicht mitgedacht.

Blockchain-Technologie für mehr Nachhaltigkeit.

Aber wo kommt eigentlich das Essen der Lieferdienste her? Die Menschen in westlichen Industrienationen machen sich mehr denn je Gedanken um Herkunft, Produktionsbedingungen und Nachhaltigkeit. „Regional“ ist das neue Bio. Während das Geschäft mit ökologisch erzeugten Lebensmitteln längst global geworden ist, wächst die Sehnsucht der Kunden nach Möhren, die der Bauer ganz in der Nähe aus dem Acker gezogen hat. Doch wie sollen Verbraucher im Supermarkt etwa überprüfen, ob das Gemüse oder der Fisch wirklich aus nachhaltiger Quelle stammt? Ein Dschungel voller Siegel oder überfragte Verkäufer sind hier nicht gerade hilfreich.

Enormes Potenzial hat der Einsatz von Blockchain-Technologie – insbesondere dann, wenn die Einhaltung von ökologischen und sozialen Standards garantiert werden soll. Anbieter wie Opensc, IBM Food Trust, Ripe.io oder Bext360 setzen auf die Technologie, um die Lieferketten von Kaffee, Kakao oder Fisch transparent zu machen. So wird beispielsweise bei Opensc ein Fischerboot per GPS getrackt. Jeder Fang erhält ein RFID-Tag und damit eine eindeutige Identität. Darauf sind allerhand Informationen gespeichert: Auf welchem Längen- und Breitengrad erfolgte der Fang, wie lautet der Bootsname und wie der des Kapitäns? Nach dem Filetieren werden die Daten auf einen auf der Verpackung gedruckten QR-Code übertragen, den Endverbraucher schließlich mit ihrem Smartphone scannen und so die Informationen abrufen können.

DNA-Analyse für maßgeschneidertes Essen.

Auch wenn wir nachhaltigen Frischfisch als gesund erachten, ist der nicht für jeden bekömmlich. Ausgehend von unseren Genen und den Bakterien, die unseren Darm besiedeln, können als gesund geltende Lebensmittel unseren Körper auch belasten. Aufgrund von wissenschaftlichen Erkenntnissen dazu macht ein neuer Ernährungstrend von sich reden: die Nutrigenomik. Diese versucht Licht in das Grenzgebiet zwischen Molekularbiologie, Genetik und klassischer Ernährungswissenschaft zu bringen.

Langfristig, so der Anspruch der Forscher, soll es möglich werden, per DNA-Analyse Ernährungsratschläge auf die individuellen genetischen Merkmale eines Menschen abzustimmen. So bauen Menschen mit einer bestimmten Genvariante Koffein langsamer ab und bekommen eher Herzinfarkte. Oder eine genetische Veränderung in einer bestimmten Region im Körper hemmt die Fettverbrennung und verstärkt stattdessen die Speicherung von Fett. Andere Menschen können nicht genügend Folsäure herstellen. Als Folge steigt der Homocystein-Spiegel an, was das Schlaganfallrisiko erhöht.

Für den Restaurantgast könnte die Zukunft daher so aussehen: Statt in die Menükarte zu schauen, nimmt man vom Gedeck ein Wattestäbchen und streicht sich damit über die Innenseite der Wange. Danach steckt man das Stäbchen zurück in das durchsichtige Röhrchen und winkt den Kellner zu sich. In einem Labor im Vorbereich der Küche werden in Sekundenschnelle die Gene aus den Zellen der Mundschleimhaut analysiert. Nach wenigen Minuten liegt ein Vorschlag für verschiedene Menüs vor. Somit bekommt der Gast nicht nur eine Auswahl, die seinem Geschmack entspricht, sondern auch seinem genetischen Hintergrund Rechnung trägt – der Espresso oder Calvados am Ende muss infolgedessen vielleicht leider ausfallen.

Das Fleisch und der Klimawandel.

Ob Fleisch gesund ist, daran scheiden sich weiterhin die Geister. Für die Erde ist der steigende Konsum jedenfalls nicht von Vorteil: Das Bevölkerungswachstum und die Lust auf Fleisch machen unserem Planeten zu schaffen. Die Produktion allein tierischer Nahrungsmittel beansprucht heute rund drei Viertel der weltweiten Agrarflächen. Wiederkäuer wie Rinder sind nach den fossilen Brennstoffen die zweitgrößte Quelle von Methan-Emissionen. Die fünf größten Fleisch- und Molkereikonzerne geben zusammen mehr Treibhausgase ab als ein Mineralölkonzern wie ExxonMobil. Und bis zum Jahr 2050 müssen knapp zehn Milliarden Menschen ernährt werden. Dabei sind die Folgen für das Ökosystem aufgrund von Rodungen und erhöhtem Düngereinsatz schon heute vielerorts verheerend.

Bei Menschen rund um den Globus wächst daher das Bewusstsein für den Einfluss des Konsum- und Essverhaltens auf den Klimawandel. Die Nachfrage nach Alternativen wird immer lauter. Eine Vision ist es, dass für unseren Fleischgenuss gar keine Tiere mehr sterben müssen. Die möglichen Szenarien: tierische Proteine in Form von Insekten, vegane Ersatzprodukte oder Fleisch aus dem Labor. Wissenschaftler und potente Start-ups forschen schon länger daran, Fleisch künstlich zu züchten. Für den Trend gibt es eine Vielzahl an Bezeichnungen: Laborfleisch, kultiviertes Fleisch, Clean Meat, In-vitro-Fleisch. 2013 stellte ein niederländisches Forscherteam der Universität Maastricht das erste synthetisch erzeugte Fleisch vor – für Kosten von über 300.000 US-Dollar.

Die Entstehung funktioniert ähnlich wie beim konventionellen Fleisch – nur dass die Zellen außerhalb des Tierkörpers wachsen. Dafür werden erst Stammzellen aus dem Muskel eines Tieres entnommen. Denn Stammzellen bilden bei einer Verletzung des Muskels neues Gewebe, also sollten sie auch außerhalb des Körpers welches produzieren können. Die Zellen werden anschließend in ein Medium gegeben, das Nährstoffe und Wachstumsförderer enthält. Daher vermehren sie sich ähnlich wie im Körper des Tieres. Langsam entwickeln sie sich zu Muskelzellen und bilden Muskelfasern. Aus einer Probe können bis zu 800 Millionen Stränge Muskelgewebe produziert werden – genug für 80.000 Burger-Patties.

Fleisch aus dem Labor ist ein riesiger Wachstumsmarkt. Der wird in den USA jetzt schon mit rund 1,5 Milliarden US-Dollar bewertet und soll bis 2034 um fast 75 Prozent wachsen. Zahlreiche Anbieter wie Beyond Meat, The Vegetarian Butcher, Impossible Foods und Memphis Meat buhlen dort um die Gunst von Investoren. Auch große Konzerne wie Unilever, Tyson Foods, Kellogg’s oder Nestlé steigen ein in das Geschäft mit dem Veggie-Burger & Co. Daneben kommt auch Fisch aus der Petrischale auf den Teller. Das Start-up Finless Foods will kultivierten Thunfisch auf den Markt bringen und Shiok Meats aus Singapur Shrimps im Labor züchten. Eine weitere Fleischalternative sind Insekten. In vielen europäischen Ländern gibt es bereits Burger aus Mehlwürmern. Beim Systemgastronomen „Hans im Glück“ gibt es einen Insektenburger namens „Übermorgen“ vom Start-up Bugfoundation.

Essen aus dem 3D-Drucker.

Ein weiterer Trend, der den GDI-Trendforschern zufolge bald zum Alltag gehört: gedrucktes Essen. Der Trend entwickelt sich langsam zu einer Massenbewegung. 2021 findet bereits zum achten Mal die Branchenleitmesse „3D Food Printing Conference“ statt. Fleisch bleibt dabei ein Thema. Das israelische Start-up Redefine Meat hat kürzlich veganes Fleisch mit dem 3D-Drucker erzeugt. Und im Weltall wurde auf der ISS kürzlich Fleisch aus der Kartusche erzeugt. Bisher steht Astronauten nur vakuumiertes oder getrocknetes Fleisch zur Verfügung. Wesentlich bodenständiger ist das Start-up Print2Taste, das für Haushalte einen 3D-Drucker zur Herstellung von Schokolade entwickelt hat. Das Gerät mit feiner Dosierspitze und einer Kartusche mit Schokoladenfettglasur kreiert beliebige Formen und Schriftzüge. Mit der Software, ähnlich wie mit einem Grafikprogramm, lassen sich über 100 Vorlagen auswählen oder eigene Kreationen entwerfen. Und selbst der traditionsreiche Nudelhersteller Barilla druckt in seiner Manufaktur BluRhapsody exklusiv für Gastronomen Nudeln aus Hartweizengrieß, die auf konventionelle Art nicht machbar sind. Schockgefroren gehen sie dann an ihren Bestimmungsort.

Wie wir Nahrung zukünftig sinnvoll produzieren, konsumieren und verteilen, ist – wie so vieles – eine globale Herausforderung. Neue Technologien tragen dazu bei, Lebensmittel effizienter und umweltschonender herzustellen. Die Digitalisierung ermöglicht transparente Lieferketten, smarte Landwirtschaft optimiert Ressourceneinsatz und Erträge.

Die eigentliche und tiefgreifendere Disruption rüttelt jedoch am individuellen Konsumverhalten und an den weltweiten Marktverhältnissen und politischen Rahmenbedingungen. Werden hier die richtigen Schalter umgelegt, können sich Innovationen auch so entfalten, dass „Food Hacking“ besser essen für alle bedeutet.

 

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