Gerold Furler

Herr Furler, wie sind Sie zum Thema IoT gekommen, und warum brennen Sie so dafür?

Eigentlich war es Zufall – aber im Rückblick logisch. Am Anfang meiner Karriere habe ich Sensorik für die Automobilindustrie entwickelt. Dann bin ich in die Informatik gewechselt, wo es um Skalierung und Infrastruktur ging. Beim Internet of Things kommt für mich alles zusammen. Mein Job ist es, die physische Welt digital abzubilden und daraus eine übergreifende Architektur zu schaffen, die dem ganzen Unternehmen Mehrwerte bringt. Und ich brenne ja nicht allein: Ohne großartige Kolleg:innen in den einzelnen Werken würde das nicht funktionieren.

Für viele Unternehmen ist IoT heute noch ein eher neues Thema, das nach Zukunft klingt. Woran liegt das?

IoT ist absolute Gegenwart, wenn man es jetzt und hier haben will. Nur – das ist das große Aber –, IoT funktioniert nicht als Insellösung. Zuerst müssen die Silos weg. Mit vielen einzelnen IT-Systemen und Pilotprojekten in unterschiedlichen Geschäftsbereichen wird das zum Albtraum und für die IT nicht managebar. Es braucht zuallererst eine solide, skalierbare Architektur und Infrastruktur. Und dann stellt sich natürlich die Frage: Wie verwalte ich Hunderttausende oder gar Millionen von Sensoren? Wie führe ich Daten aus unzähligen Quellen – ob Labor, Produktion oder Logistik – zusammen? Dafür braucht man verlässliche interne und externe Partner, die wissen, was sie tun. Klingt nach viel Arbeit, ich weiß. Aber es ist der einzige Weg zu Transparenz und Effizienz in allen Prozessen. Letztendlich nehmen wir dieselbe Entwicklung wie die IT.

Wie haben Sie es geschafft, IoT bei Roche zur Normalität zu machen?

Das war keine große, plötzliche Revolution, sondern eine gezielte, pragmatische Evolution. Beim ersten Use Case ging es um die Optimierung von Büro- und Laborflächen in einem traditionsreichen Roche-Gebäude. Da gab es immer wieder Beschwerden über die Raumauslastung. Also haben wir mit Sensorik erfasst, wo welche Bereiche wann genutzt werden. Ein typischer Use Case. Die Ergebnisse führten zu besseren Arbeitsbedingungen und konkreten Einsparungen. Das hat uns in der Geschäftsleitung den Weg geebnet, weil wir ein Erfolgserlebnis hatten, das konkret Geld gespart hat.

Und dann?

Weil es ineffizient und teuer ist, für jeden weiteren Use Case eine eigene Infrastruktur aufzubauen, haben wir den Master Use Case entwickelt. Das heißt, wir arbeiten mit einer skalierbaren Plattform, auf der alle weiteren IoT-Geräte und somit Use Cases aufgesetzt werden. Nach der initialen Investition sinken die Kosten pro Use Case von allein und es geht schnell und einfach.

Lohnt sich also?

Ja, klar! Ich muss das unterstreichen: Hinter jeder Entscheidung stecken bei Roche Kalkulationen. Wenn ich gefragt werde, was man machen muss, damit IoT sich lohnt, frage ich zurück: Was hat man davon, wenn man es nicht tut? Höhere Betriebskosten, weil Prozesse ineffizient und intransparent laufen. Wartungskosten, ungeplante Ausfälle. Investitionen in Gebäude, die aufgrund der Nutzung gar nicht notwendig sind. Ich kann nicht genug betonen, wie wichtig es für Unternehmen aus strategischer Sicht ist, die mit Sensoren erfassten Daten umfassend und sinnvoll zu nutzen.

Gerold Furler

Was lässt sich mit IoT denn zum Beispiel automatisieren?

Alles, was automatisiert werden sollte, und überall, wo es Sinn macht. Geräte „melden sich“, wenn sie bewegt werden. Maschinen geben Bescheid, wenn sie gewartet werden müssen. Wird etwas aus dem Regal genommen, erfolgt automatisch die Nachbestellung. Dort, wo manuelle Prozesse nicht sinnvoll sind, gibt es keine mehr. Das bedeutet auch: Die Mitarbeitenden entscheiden bewusst, welche manuellen Tätigkeiten sinnvoll und sinnstiftend sind. Sie haben die Kontrolle über ihre Arbeitsumgebung.

Was habe ich als Roche-Mitarbeiter:in denn von IoT?

Einiges! Ich erkläre das mal am Beispiel der hi Site App. Die können alle Mitarbeitenden an vier Roche-Standorten auf dem Smartphone nutzen, um freie Meetingräume zu finden und zu buchen. Ist mittags die Schlange in der Kantine zu lang, schaust du nach, wann weniger los ist. Kolleg:innen, denen du deinen Standort freigegeben hast, können dich überall auf dem Gelände finden, und andersrum. Gerade bei Raumbelegungen hilft uns ein kleines, aber sehr effektives IoT-Element: E-Ink-Displays. Die digitalen Beschilderungen funktionieren vollautomatisch und in Echtzeit, in der Produktion wie im Labor. Als Techniker:in könntest du dort dank IoT übrigens sogar eine Pipette finden.

Wozu ist das gut?

Roche hat viele Labore oder Bereiche wie die Diagnostik, in denen mit sehr sensiblen, teuren Geräten gearbeitet wird. Die Techniker:innen, die sich um deren vorschriftsgemäße Wartungen und Kalibrierungen kümmern, sparen sich die Zeit, sie manuell zu suchen. Neubeschaffungen werden vermieden, weil ein teures Laborgerät nicht einfach im Schrank „verschwindet“. So viel wieder zu Transparenz und Effizienz.

Welche Use Cases stecken da IoT-seitig dahinter?

Vor allem drei: Space Utilization Management, Asset Tracking und die schon genannten E-Ink-Displays. Die Kommunikationsinfrastruktur basiert auf BLE-Mesh oder LoRaWAN. Letztendlich ist das wie ein Corporate LAN.

Okay, Sie haben jetzt also ein umfassendes IoT-System etabliert. Was kommt als Nächstes?

Wir beschäftigen uns mit Skalierung bei gemanagter Sicherheit und dem Vorantreiben der Automatisierung. Wir wollen 10 Millionen vernetzte IoT-Geräte über das ganze Unternehmen und alle Bereiche hinweg. Unsere Vision ist es, dass IoT so selbstverständlich funktioniert wie Strom oder Internet. Deswegen ist das für mich auch kein fancy Technologiethema nur für Nerds. Am Ende geht es um Menschen und Zusammenarbeit. Unser IoT-System könnte technisch perfekt sein, aber wenn es keine Akzeptanz findet, ist es sinnlos. IoT ist nur so gut wie unsere Mitarbeitenden.

 
results by Bechtle.

Dieses Interview ist ein Auszug aus der ersten Ausgabe des neu gestalteten Bechtle Magazins.

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