
Herr Beck, Sie sind überzeugt, dass wir den demografischen Wandel nur aufhalten können, wenn wir Prozesse neu denken. Wie gehen Sie das an?
Der demografische Wandel wird die öffentliche Verwaltung massiv treffen. In zehn Jahren verlieren wir rund ein Viertel der Verwaltungsmitarbeitenden, in den nächsten zwanzig Jahren geht sogar die Hälfte in den Ruhestand. Eine Herausforderung, der wir begegnen, indem wir verstärkt auf Automatisierung und den Einsatz neuer Technologien setzen. Künstliche Intelligenz (KI) kann dabei eine Schlüsselrolle spielen, indem sie Prozesse optimiert und effizienter gestaltet. Entscheidend ist, dass die Transformation frühzeitig gesteuert wird, um nachhaltige Lösungen zu etablieren und die Leistungsfähigkeit der Verwaltung langfristig zu sichern.
Welche Rolle spielt das Innovationslabor Baden-Württemberg in diesem Prozess?
Unser InnoLab_bw soll neue Wege in der Verwaltung eröffnen. Wir können unabhängig von klassischen Strukturen agieren, um Innovationen voranzutreiben. Oft wird Verwaltung mit festen, vorgegebenen Prozessen verbunden, doch die Idee war, eine Einheit zu schaffen, die außerhalb dieser klassischen Linienorganisation agiert – ähnlich wie in Unternehmen. Dazu gehört der Austausch mit Start-ups, die Entwicklung neuer Lösungen und die Erprobung moderner Technologien. Interessanterweise zeigt sich dabei, dass Unternehmen und die Verwaltung oft ähnliche Herausforderungen haben – etwa in Bezug auf Schnittstellen, veraltete IT-Systeme oder komplexe Strukturen.
Wie sieht es in diesem Umfeld mit dem Schutz der persönlichen Daten der Bürgerinnen und Bürger aus?
Datenschutz ist ein zentrales Thema, insbesondere wenn es um den Einsatz von KI geht. Wir legen in Baden-Württemberg großen Wert darauf, dass die Daten der Bürgerinnen und Bürger nicht unkontrolliert an externe Anbieter weitergegeben werden. Während Privatpersonen frei entscheiden können, ob sie ihre Daten in die Cloud laden, haben Bürger:innen gegenüber dem Staat keine Wahl. Deshalb setzen wir auf eine souveräne IT-Infrastruktur, betreiben viele KI-Anwendungen inhouse und nutzen das Rechenzentrum der Landesoberbehörde IT Baden-Württemberg (BITBW) für den sicheren IT-Betrieb.
Kommen wir zu den Personen, die das neue Angebot nutzen sollen. Wie lassen sich Mitarbeitende von neuen digitalen Anwendungen überzeugen?
Der Schlüssel zur Akzeptanz neuer Tools liegt darin, echten Mehrwert zu schaffen. Wenn eine Anwendung alte Prozesse nur digital nachbildet, ohne spürbare Verbesserungen, dann wird sie auch nicht genutzt. Als die elektronischen Akte (E-Akte) eingeführt wurde, entfielen zeitaufwendige Tätigkeiten wie das manuelle Sortieren und Verteilen von Akten. Zwar entstanden dadurch auch neue Aufgaben, aber insgesamt wurden viele Arbeitsprozesse effizienter. Solche konkreten Vorteile helfen, Mitarbeitende für digitale Lösungen zu begeistern.
Björn BeckUnser Innovationslabor soll neue Wege in der Verwaltung eröffnen – unabhängig von klassischen Strukturen.
Es geht demnach in erster Linie um Mehrwerte?
Ja, der entscheidende Faktor ist ein spürbares Plus. Ein weiteres Beispiel finden wir in der Justiz. Familienrichter müssen oft komplexe Berechnungen zu Unterhalt oder Rentenausgleich durchführen. Dafür gibt es spezialisierte Berechnungstools, die diesen Prozess erheblich beschleunigen. Kein Richter würde freiwillig auf Papier zurückgreifen, wenn er stattdessen in kürzester Zeit eine präzise Berechnung mit dem Tool durchführen kann.
Sie haben mit Aleph Alpha solch ein Tool entwickelt. Was ist F13 und wie unterstützt es Mitarbeitende in der Verwaltung?
F13 ist ein Textassistent, der bei Routineaufgaben entlastet und auf generativer Künstlicher Intelligenz basiert. Er bietet eine Chat-Funktion, kann Texte zusammenfassen, Vermerke erstellen oder bei der Recherche helfen. Wir wollten eine sichere Alternative zu frei verfügbaren KI-Tools zu schaffen. Da sind wir wieder beim Thema Datenschutz. Mitarbeitende in der Verwaltung dürfen keine sensiblen Informationen in öffentliche KI-Tools eingeben. Deshalb läuft F13 vollständig im landeseigenen Rechenzentrum, in einer sicheren Umgebung, die speziell auf die Bedürfnisse der Verwaltung zugeschnitten ist.
Und wie geht es mit dem Tool weiter?
Wir stellen die Technologie auch anderen staatlichen Organisationen für die Nachnutzung bereit und hoffen, dass sich möglichst viele Bundesländer hinter der gemeinsamen Softwarebasis vereinigen. Denn, ein zentrales Ziel bei F13 war von Anfang an die Skalierung. Wie können wir ein Tool, das für 10 oder 100 Personen funktioniert, so weiterentwickeln, dass es Hunderttausenden oder sogar Millionen von Menschen hilft? Inzwischen sind öffentliche Stellen im dreistelligen Bereich an der Nachnutzung interessiert – für uns ein echter Erfolg. Gleichzeitig arbeiten wir in unserem Team weiter an neuen Ideen. Schließlich wollen wir auch künftig innovative und unkonventionelle Ansätze ausprobieren.
Wie sehen Sie die weitere technologische Entwicklung?
Ich denke, wir stehen gerade erst am Anfang einer neuen Ära. KI-Modelle sind aktuell in Teilen noch ineffizient, neigen zu Fehlern wie Halluzinationen. Aber es gibt schon jetzt vielversprechende Entwicklungen hin zu kleineren, leistungsfähigeren Modellen. Ein großer Trend wird dabei der Übergang zu Agentenmodellen sein. Heute geben wir einzelne Prompts ein, in Zukunft könnten KI-Agenten selbstständig Aufgaben übernehmen. Ein Agent prüft meinen Kalender, ein anderer organisiert automatisch Meetings oder erledigt Bürokratieprozesse. Die Technologie übernimmt also vermehrt administrative Aufgaben. Das wird es den Mitarbeitenden in der Verwaltung ermöglichen, sich stärker auf die Bürgerinnen und Bürger zu konzentrieren. Auch mit Blick auf die schon angesprochene und greifbare Personallücke in den kommenden Jahren, ist das eine Entwicklung, die wir aktiv mitgestalten müssen.
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