
Ganz schön smart.
Tatort Digitalisierung:
Bechtle Greenfield ermittelt gemeinsam mit Device Insight bei KUKA in Augsburg.
Augsburg: Hier schlägt das Herz der deutschen Industrieexzellenz.
KUKA, bekannt als Technologieführer in der Industrierobotik, ist gleichzeitig einer der größten Anlagenbauer der Welt. Robotik, Fertigungsautomatisierung, Smart Picking Solutions, Automatisierung von Krankenhäusern – es gibt wenig industrielle Geschäftsfelder, in denen die Expertise aus Augsburg nicht gefragt ist. Zu den neuesten Coups gehört die so genannte Matrix-Produktion. Darunter versteht KUKA eine extrem flexible automatisierte Organisation einzelner Fertigungszellen. Sie soll zukünftig die klassische Linienfertigung wenn nicht ersetzen dann zumindest smart ergänzen. Die Ermittler von Bechtle Greenfield und der KUKA Digitaltochter Device Insight sind sehr dankbar, exklusive Ein- und Ansichten an diesem geschichtsträchtigen Ort mit einer großen Zahl Teilnehmenden diskutieren zu können.
Smarte Produkte für eine smarte Produktion für ein smartes Unternehmen.
Dr. Quirin Görz, CEO von KUKA Digital, legt in seiner Begrüßung den Fokus sogleich auf die „Smartness“ neuer Produkte aus deutschen Entwicklungslaboren. Für eine smarte Produktion müssen zuerst die Produkte smart werden. Der Digital Product Passport wird zum zentralen Ausweisdokument des digitalen Zwillings. Nur so können Produkt, Maschine, Werkzeug und Prozess zusammengebracht werden.
Grundsätzlich sind solche Gedanken ja nicht neu. Doch sie kommen erst jetzt, 10-15 Jahre nach den ersten Skizzen, zur Anwendung. Überhaupt ist der Verweis auf die Ideen aus der Vorzeit von Industrie 4.0 ein Thema, dass sich durch den Tag zieht. Vieles wurde schon einmal erdacht, scheiterte letztlich aber an der Umsetzung. Heute, mit fortgeschrittenen technologischen Möglichkeiten und der Einbindung von leistungsfähigen KI-Algorithmen lassen sich viele Ideen tatsächlich umsetzen. So können zum Beispiel moderne KI-gesteuerte Anwendungen helfen, kleine Losgrößen endlich effektiv und effizient zu produzieren.
Was ist das Problem? Eine einfache und doch entscheidende Frage.
Wie entstehen die Use Cases für smarte Produkte? Aus der Erfahrung von Stefan Schweiger, Business Manager IoT Solutions bei Bechtle, stellen konkrete Schmerzpunkte den Ausgangspunkt der Entwicklung dar. Ob Kostendruck, Prozessunterbrechungen, selbst der Mangel an geeignetem Fachpersonal kann ein Treiber für die Smartification klassischer Produkte und ebensolche Geschäftsmodelle sein. Auch regulatorische Anforderungen, ein verstärktes Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften oder – leider – auch politische Krisen sorgen für Entwicklungsimpulse. Selbst gewachsene B2B-Verhältnisse können zum Startpunkt einer smarten Optimierung werden, wenn zum Beispiel Enterprise-Kunden immer mehr Daten aus der Produktion oder Logistik einfordern, um die durchgängige Transparenz der gesamten Supply Chain sicherzustellen.
Und was ist mit dem Nennwert?
Versprechen smarte Produkte per se bessere Geschäftschancen als normale Produkte? Stefan Hudelmaier, Director of Cloud Architecture & Innovation bei Device Insight, hat dazu eine klare Meinung.
Die digitale Ergänzung des Produkts muss einen konkreten und
nachvollziehbaren Mehrwert liefern. Sie muss einen Schmerzpunkt
ansprechen, der sich anders nicht lösen läßt.
Die digitale Ergänzung des Produkts muss einen konkreten und nachvollziehbaren Mehrwert liefern. Sie muss einen Schmerzpunkt ansprechen, der sich anders nicht lösen läßt.
Die Entwicklung digitale Features kostet Geld. Das muss langfristig durch höhere Preise oder neue Geschäftsmodelle erwirtschaftet werden. Doch nicht immer sind Kunden bereit, für neue Vorteile auch Geld auszugeben. In Asien erwarten Kunden zum Beispiel, dass Maschine und digitale Features eine Einheit bilden, und dass diese Mehrwerte bereits eingepreist sind. „Es ist nicht schwer, die Produkte smart zu machen. Die Schwierigkeit besteht darin, die richtigen Produkte smart zu machen“ lautet der Rat von Hudelmaier an die Teilnehmenden. Nichts alles, was technisch heute möglich ist, ist auch betriebswirtschaftlich sinnvoll. Das sollte Unternehmen und Unternehmer allerdings nicht davon abhalten in den Bereich der digitalen Entwicklung zu investieren. Der Wettbewerb schläft nicht, und manchmal verbreiten sich neue Technologien schneller, als Vorstand und Aufsichtsrat eine gemeinsame Strategie als Reaktion finden.
Auf dem Weg zur Data Driven Company.
Smarte Produkte sind die Vorstufe einer smarten Produktion. Die wiederum treibt die Entwicklung einer Data Driven Factory voran, die letztlich Teil einer Data Driven Company ist. Was nach Zukunftsvision klingt, ist nicht zuletzt seit dem Einzug der KI schon dabei, Realität zu werden. Für weitsichtige Entwicklungen braucht es aber weitsichtige Strategen. Davon sind auch Stefan Hudelmaier und Stefan Schweiger überzeugt.
Wichtig ist das Mindset der Entscheider.
Die kontinuierliche Entwicklung entlang der Möglichkeiten moderner Technologien muss zu einem festen Bestandteil der DNA aller Akteure werden. Sie müssen dafür sorgen, dass die Organisation die richtigen Muskeln ausbildet, um agil auf zunehmend komplexe Marktdynamiken reagieren zu können.



Qualitätssicherung bei 38 Grad – wo der Mensch an Grenzen gerät, hilft die KI.
Wie echte Schmerzpunkte und intelligente Technologielösungen adressiert werden, zeigt neben vielen Praxisbeispiel an diesem Tag auch die Installation des Bechtle Partners Vivaldi, über die sich die Teilnehmer in den Pausen informierten. Vivaldi stellt der optischen Qualitätsprüfung von hochpräzisen Fertigungsteilen aus der Automobilproduktion, die bei bis zu 38 Grad Celsius aufreibend ist, ein kameragestütztes, KI-basiertes QM-System gegenüber. Die Lösung kam in kürzester Zeit selbst bei den Mitarbeitern in der Qualitätsprüfung so gut an, dass aus einem internen Forschungsprojekt ein eigenes Produkt wurde. Die Ermittler von Bechtle Greenfield notieren: Ein smartes Produkt, smart umgesetzt. Ein klarer Fall digitaler Exzellenz.
Agile Methoden dominieren die Entwicklung smarter Produkte.
Wie organisiert man die Entwicklung smarter Produkte im Konzern oder bei einem Mittelständler mit komplexen Produkt-Portfolien und Entscheidungswegen? Dies ist die Frage des ersten Fachdialogs. Tommy Kuhn, CEO bei DMG Mori Digital, erläutert, dass die Digitalsparte von DMG Mori in erster Linie die Produkte der Muttergesellschaft verbessere. Als agile, eigenständige Einheit lässt sich schnell und flexibel in Sprints an Lösungen arbeiten. Eine schlüssige „Value Proposition“, die im Einklang mit der Strategie des Auftraggebers steht, ist seiner Meinung nach entscheidend. Sie bildet den Referenzpunkt während der Entwicklung. Kuhn stellt in Abstimmung mit den Auftraggebern sich selbst und dem Team dabei immer wieder die Frage nach dem „wofür“ des Erreichten. „Die Anforderungen der Kunden müssen nicht nur verstanden, sondern auch abstrahiert werden. Wenn sich dabei herausstellt, dass Probleme ganz anders gelöst werden können als anfangs gedacht, müssen die Pläne entsprechend angepasst werden.“ Quirin Görz bestätigt, dass eine solche Herangehensweise bereits bei vielen erfolgreich eingesetzte IoT-Lösungen zum Einsatz kommt:
Wichtig ist das Co-Development von Key Features gemeinsam mit dem Kunden,
um Probleme zu identifizieren und echte Mehrwerte zu schaffen.
Wichtig ist das Co-Development von Key Features gemeinsam mit dem Kunden, um Probleme zu identifizieren und echte Mehrwerte zu schaffen.
Auf diese Weise entstehen, so die Erfahrung langfristig profitable Lösungen.
Zur Smartness gehört auch, die Angriffsfläche zu verringern.
Wenn immer mehr Daten erfasst, verarbeitet und übermittelt werden – was bedeutet das für die Sicherheit im Unternehmen? Haben neue Geschäftsmodelle auch neue Sicherheitsrisiken im Schlepptau? Das ist Thema des zweiten Fachdialogs. Sid Hussmann, CTO der Gapfruit AG und IT-Sicherheitsexperte aus der Schweiz, sieht die Industrie in der Tat vor Herausforderungen stehen. „Die Sicherheitsrisiken smarter Produkte werden unterschätzt.“ Gerade bei smarten Produkten ist die Zusammenarbeit von IT und OT (Operational Technology) Risiken, die aus dem Selbstverständnis der beiden Communities entstehen. „IT-Entwickler sagen sich ‚Ship fast, fix later‘.“ Wenn der von ihnen entwickelte Code nicht funktioniert, dann kann man ja auf die Vorgängerversion zurückgreifen und so lange probieren, bis sich das gewünschte Ergebnis einstellt.
Ganz anders agieren die Verantwortlichen im OT-Bereich. Hussmann: „Für die steht ganz oben ‚Never change a running system‘ auf der Liste.“ Denn ein Stillstand, so unwahrscheinlich und selten er beispielsweise bei einem Software-Update ist, ist hier das Worst-Case-Szenario. Der Enthusiasmus der einen (Programmierer) muss daher mit der Zurückhaltung der anderen (OT-Verantwortlichen) zusammengebracht werden. Neben dem bereits vorgestellten Modus Operandi der Sprint-Entwicklung ist deshalb die ganzheitliche Betrachtung des Projekts eine wesentliche Voraussetzung bei der Entwicklung sicherer Produkte. Ein Mittel des Zwecks, auf das sich IT und OT einigen könnten, ist das Prinzip des Zero Trusts („Vertaue Niemandem, überprüfe alles“). In der IT ist dieses Konzept bereits weit verbreitet, bei der Entwicklung smarter Produkte in der Fertigungsindustrie hingegen weniger. Gleichwohl ist es schwierig das Prinzip des maximalen Schutzes mit einer ökonomischen Zielsetzung in Deckung zu bringen. Stefan Hudelmaier erläutert, dass gerade in diesem Zusammenhang das Kommunikationsprotokoll OPC UA, das gerade für Industrie 4.0-Anwendungen stark im Kommen ist, zukünftig wertvolle Dienste leisten kann.
Wir müssen die Komplexität der Systeme reduzieren,
um die Angriffsfläche zu minimieren.
Wir müssen die Komplexität der Systeme reduzieren, um die Angriffsfläche zu minimieren.
Das herstellerunabhängige Kommunikationsprotokoll wurde speziell für die Industrie entwickelt, um die sichere, zuverlässige und plattformübergreifende Kommunikation zwischen verschiedenen Maschinen, Geräten und Systemen zu gewährleisten. Eine intelligente Vereinfachung auf der Grundlage anerkannter Standards. Genau darin, darin sind sich Hussmann und Hudelmaier einig, liegt einer der Schlüssel für die Entwicklung sicherer Produkte.
Digitale Exzellenz bei KUKA? Zweifelfrei nachgewiesen.
Die Ermittler von Bechtle Greenfield nehmen auch diese Erkenntnis zu ihren Fallakten. Wie immer tauschen die Teilnehmenden anschließend in geselliger Runde ihre Eindrücke dieses außerordentlich informativen Tages. Ob es sich gelohnt hat, nahezu einen ganzen Tag zu investieren? Um es mit den Worten eines Teilnehmers zu sagen: „Spannender als jeder Tatort am Sonntag.“ Dem ist aus Sicht des Bechtle Greenfield Team nichts hinzuzufügen. Bis auf: Wir freuen uns schon auf den nächsten Fall.