
DKAR-Auftakt 2025: Ein Anfang ist gemacht.
Deutsche Aufsichtsräte rüsten sich für die digitale Transformation.
Berlin, Januar 2025. Der Veranstaltungsort – die Berliner Niederlassung der Porsche-Tochter MHP – könnte symbolischer kaum sein: Ein Beratungsunternehmen mit tiefen Wurzeln in der Industrie, das sich dem Wandel verschrieben hat. Hier treffen sich am Jahresanfang Aufsichtsrät:innen, Impulsgeber:innen und Unterstützer:innen der Initiative ‚Digitalkompetenz im Aufsichtsrat‘, um über Best Practises für die Stärkung der Digitalkompetenz in der Arbeit des Gremiums zu sprechen.
Inspiriert wurde die Debatte durch die Vorstellung von „25 for 25“, der ersten qualitativen Studie der Initiative und mhp. In Interviews mit 27 Aufsichtsratsmitgliedern – alle mit nachgewiesener Digitalkompetenz und aktivem Mandat – wurde darin der digitale Reifegrad in deutschen Gremien ausgelotet. Ihre Einschätzungen zeichnen ein differenziertes Bild: Während die Bedeutung der Digitalisierung unbestritten ist, fehlt es vielerorts noch an professioneller Verankerung – sowohl im Kompetenzprofil als auch im Rollenverständnis der Gremien.
Neue Zeiten, neue Maßstäbe.
Was bedeutet Digitalisierung konkret für die Arbeit im Aufsichtsrat? Dass die Welt komplexer, dynamischer, weniger berechenbar geworden ist – darin herrscht Einigkeit. Ebenso darin, dass traditionelle Planungslogiken zunehmend an ihre Grenzen stoßen. War Disruption früher ein Begriff, der nach einer Periode relativer Konstanz für Aufbruch, Veränderung und neue Möglichkeiten stand, beschreibt das Wort heute einen permanenten Zustand.
Prof. Dr. Burkhard Schwenker, Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hamburger Sparkasse, bringt es auf den Punkt: „Wir müssen uns von der Illusion der Berechenbarkeit verabschieden.“ Für Aufsichtsräte bedeute das: weniger Diskussion um die zweite Nachkommastelle, mehr Debatte über Szenarien, Handlungsoptionen und strategische Resilienz. Strategie, so Schwenker, finde nicht mehr ausschließlich in den ruhigen Phasen eines Unternehmens statt – sondern spätestens dann, wenn Unerwartetes passiert.
In dieser Welt des Wandels ist die Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat wichtiger denn je. Damit einhergehend ist eine immer tiefergehende Professionalisierung: Heute arbeiten Vorstand und Aufsichtsrat schneller, kontroverser – und inhaltlich deutlich tiefer zusammen. „Wir brauchen mehr inhaltliche Diskussionen“, so Schwenker. Der Aufsichtsrat als strategischer Sparringspartner – das ist heute keine Kür, sondern Teil des Mandats.
Digitalkompetenz als „Plus-Qualifikation“.
Wer in solchen Diskussionen bestehen will, braucht das richtige Rüstzeug. Die Studie „25 for 25“ beschreibt Digitalkompetenz als mehrdimensionale Fähigkeit: Sie umfasst Technologieverständnis, strategische Weitsicht, Erfahrung mit digitalen Geschäftsmodellen und die Fähigkeit, die Auswirkungen digitaler Entwicklungen auf Kunden, Märkte, Lieferanten und rechtliche Rahmenbedingungen zu beurteilen.
Diese Kompetenzen, so betonen die befragten Aufsichtsrät:innen, müssen nicht nur bei Einzelpersonen vorhanden sein – sie müssen sich über die gesamte Zusammensetzung des Gremiums verteilen. Diversität spielt dabei eine ebenso große Rolle wie Lernbereitschaft. Oder wie es Marcus Wambach, Group CEO von MHP, formuliert: „Selbst für Führungskräfte ist es wichtig, hin und wieder wieder zu Lernenden zu werden.“
Das sieht auch Prof. Schwenker so. Es geht um „Plus-Kompetenz“: Das klassische Aufsichtsratsprofil bleibe wichtig – werde aber ergänzt um eine breite, digitale Perspektive. Dafür brauche es Offenheit, Reflexion – und den Willen, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Zwischen Kontrollauftrag und Gestaltungsimpuls.
Auch wenn der Aufsichtsrat nicht operativ tätig ist – das wird an diesem Abend mehrfach betont – zeigen viele der erfassten Impulse, dass den Gremien eine zentrale Rolle in der strategischen Ausrichtung zukommt.
Das setzt voraus, dass Aufsichtsrät:innen sich mit zentralen digitalen Themen auseinandersetzen: Datenstrategie, Cyber Security, künstliche Intelligenz, neue Wertschöpfungsmodelle. „Wir brauchen dringend mehr Wissen im Aufsichtsrat“, sagt Schwenker. Nur so könne eine Diskussion auf Augenhöhe mit dem Vorstand entstehen. Und nur so lasse sich das Vertrauen in unternehmerische Entscheidungen stärken.
Dieses Vertrauen, so die Botschaft des Abends, ist keine Selbstverständlichkeit. Es muss sich durch Kompetenz, Sorgfalt und Dialog erarbeiten lassen. Dem Aufsichtsrat kommt dabei eine Schlüsselfunktion zu – als Brückenbauer zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen Risiko und Weitsicht.
Deutschland und der Digitalisierungsmut.
Dass Deutschland ein Talent dafür hat, Probleme zu erkennen, aber weniger für deren Lösung, ist eine Beobachtung, die an diesem Abend mehrfach geteilt wird. „Wir sind Weltmeister im Erkennen von Fehlern“, so Martin Wambach, Group CEO der mhp. „Aber wir brauchen mehr Umsetzungskompetenz.“ Der Appell an das „Lösungs-Gen“ des Landes ist nicht klagend, sondern motivierend: Es gebe viele Chancen – man müsse sie nur ergreifen.
Dass dies nicht nur für Unternehmen, sondern auch für staatliche Strukturen gilt, verdeutlicht Thomas Heilmann, Bundestagsabgeordneter und ehemaliger Berliner Justizsenator. In seinem pointierten Impuls beschreibt er die digitalen Nachholbedarfe in der öffentlichen Verwaltung – und spricht damit indirekt auch die Bedeutung digitaler Kompetenz in politischen Entscheidungsgremien an. Der Gedanke: Wenn schon dort die Digitalisierung stockt, wie kann dann das Umfeld für Unternehmen zukunftsfest sein?
Zwischen Anspruch und Aufbruch.
Gerade deshalb ist der Neujahrsempfang der Initiative Digitalkompetenz im Aufsichtsrat mehr als ein Netzwerktreffen. Er ist ein Angebot an Aufsichtsrät:innen, sich auszutauschen und die Digitalisierung nicht als nachrangiges Spezialthema zu begreifen, sondern als Querschnittsaufgabe. Michael Beilfuß, Executive Facilitator der Initiative formuliert die Aufgabe denn auch wie folgt: DKAR ist ‚The voice of digital‘ aus der Perspektive ‚Digital to the core‘ mit einem klaren Commitment zum transparenten, offen Dialog, ‚It’s the community that drives the bus‘.



Ausblick: Lernen, vernetzen, gestalten.
Digitalisierung ist kein Projekt mit Enddatum. Und so stehen auch die nächsten Termine der Initiative bereits fest: Im April trifft sich die Community virtuell, im Juli zum Sommerevent in München.
Wir freuen uns schon heute auf vielfältige inspirierende Gespräche.