Die Bechtle Story beginnt mit einem, der handelt. Anfang 1982. Ein Unternehmer ist (neben seinem Kerngeschäft) auch für 18 Kinobetriebe – unter anderem im schwäbischen Heilbronn – zuständig. An der Kinokasse werden damals wie heute Süßigkeiten verkauft. Verwaltet werden die Gummibärchen, Drops und Schokoriegel mit einem mehr oder minder strukturierten Karteikartensystem. Auch in den 80er-Jahren war das eine bereits etwas angestaubte Methode, Nachfrage und Einkauf in Einklang zu bringen. Effizientere Ansätze waren zwar vorstellbar, aber noch nicht an jeder Straßenecke erhältlich. Also wendet sich oben erwähnter Unternehmer an den „Technischen Beratungsdienst“ der Fachhochschule Heilbronn. Damals ein gern gewählter Problemlöser für technische Fragestellungen.

Hier kommt ein Professor ins Spiel. Man kennt sich, hat schon gemeinsam Diplomanden betreut. Ein Student wird gesucht, der clever genug ist, eine Verwaltungssoftware zu schreiben. Die Wahl fällt auf einen Maschinenbaustudenten. 24 Jahre alt, von Computern fasziniert. Wenige Wochen später steht das Programm. Es funktioniert. Wie wäre es, denkt sich der Professor, ein Geschäft zu gründen, das Software vermarktet. Genauer: technische Berechnungssoftware. Neuland sozusagen, denn am Markt gibt es so etwas zur damaligen Zeit noch nicht. Nur in den Laboren der Fachhochschule. Die drei Männer – Unternehmer, Professor und Student – sind überzeugt, dass Computer die Zukunft sind. Eine Geschäftschance? Warum nicht, denkt der Unternehmer. Und der Professor. Der Student sowieso. Kaufmännischer Sachverstand, technischer Intellekt und unverbrauchter Ehrgeiz. Gerhard Schick, Professor Klaus von Jan, Ralf Klenk. Gründer von Bechtle. Das war 1983.

Die drei Gründer von Bechtle (v. l. n. r.): Professor Klaus von Jan, Ralf Klenk, Gerhard Schick (Foto von 2013).

Erstes Firmengebäude im Heilbronner City-Süd-Center.

Wie soll es denn heißen?

Eine Geschäftsidee zu haben ist prima. Aber höchstens die halbe Miete. Das Kind braucht auch einen Namen. Da fängt der Stress schon an. Die eigenen Namen? Klenk-Schick-von Jan GmbH. Zu kompliziert. Dann vielleicht nur die ersten Buchstaben KSJ? Oder doch JKS? Ach … eher nicht. Vielleicht ein Fantasiename, total modern und kreativ? Na also bitte – auf keinen Fall! Es sind die einfachen Dinge, die den Unterschied machen. Das war schon immer so. Die Kriterien, die einen perfekten Namen auszeichnen, sind (in diesem Fall) schnell zusammengefasst: Ein Familienname wäre gut, das schafft Vertrauen. Und schwäbisch soll er klingen. Schließlich sind die Gründer Schwaben, die Kunden werden es auch sein. Außerdem muss der Name weit vorn im Alphabet stehen. Wichtig, um im Branchenbuch schnell gefunden zu werden. Bei den Lieferanten ganz oben stehen ist auch kein Fehler. Also nimmt sich der pragmatisch orientierte Unternehmer Gerhard Schick die Personalliste seiner Firma. Die Buchstaben A und B genügen. Bei Hans-Joachim Bechtle bleibt der Finger stehen. Ein Mitarbeiter der Kinobetriebe. Das passt. Erledigt. Name gefunden. Perfektion kann so einfach sein.

Am 21. Juli 1983 wird es offiziell.

Und so stehen am 21. Juli 1983 um 9 Uhr vier Männer beim Notar. Für wenige Minuten ist der Namensgeber auch Gesellschafter. Das deutsche Recht verlangt es so bei einem Familiennamen als Firmierung. Dann erhält Hans-Joachim Bechtle die zuvor vereinbarten 1.000 DM Honorar – und ist fortan nicht mehr Teil der Bechtle GmbH. Eine besondere Rolle spielt er aber doch: Er ist nämlich erster Kunde des neu gegründeten Unternehmens. Noch vor der Eröffnung des Ladengeschäfts im Heilbronner City Süd-Center kauft er am 26. September 1983 zehn Disketten 1 DSS S 1/1’’ zum Preis von 60,53 DM plus 14 Prozent Mehrwertsteuer. Viel später arbeitet er auch als Servicetechniker bei Bechtle. Der Apple IIe, auf dem das Süßwarenverwaltungsprogramm seit 1982 läuft, steht bis heute in seinem Arbeitszimmer.

Apple IIe.

Ralf Klenk, erster Mitarbeiter und Geschäftsführer, zusammen mit Friedrich Hild, CAD-Konstruktionsingenieur, im ersten Heilbronner Ladengeschäft.

Immer weiter denken.

Das Geschäftsmodell von Bechtle fußt auf einer Marktlücke. An der Hochschule wird Software entwickelt, die niemand vermarktet. Und der Siegeszug des Computers ist klar erkennbar. Software hier, Hardware dort. Da ist in der Mitte Platz für einen, der beides miteinander verbindet. Zu Beginn konzentriert sich Bechtle auf die Erstellung und Vermarktung von Berechnungssoftware im technischen Bereich. Das Programm ist hochkomplex, es ist teuer – und damit unverkäuflich. Es folgt eine Softwarelösung für die Werkzeugverwaltung. Bis ins Detail durchdacht, mit intelligenten, überzeugenden Funktionen, in der Anwendung aber kompliziert, ihrer Zeit vielleicht einfach voraus – ein Flop. Aller guten Dinge sind drei. Und tatsächlich: Die „Bechtle Praktiker Software“, kurz BPS, hat Erfolg. Sie berechnet unter anderem Zahnräder, Wellen und Schrauben. Das Produkt verkauft sich gut. Aber nicht so gut wie das zweite Standbein von Bechtle. Der eigentliche Durchbruch gelingt mit dem Vertrieb von Hardware. Der ursprünglich nur als Nebenerwerbsquelle vorgesehene Verkauf von Computern, Monitoren, Druckern, Zubehör und Standardsoftware sprudelt und sprudelt. Es ist der Beginn des PC-Zeitalters. Der Markt entwickelt sich rasant und mit ihm Bechtle. Goldgräberzeit – die Nachfrage kennt keine Grenzen. Zur richtigen Zeit in der richtigen Branche und ein unbändiger Wille zum Erfolg. Bechtle startet durch.