Autor:

Florian Kronenbitter, Geschäftsführer, Bechtle IT-Systemhaus Rottenburg

Zwei Wochen später: Die Maschine wurde verdübelt, eingefahren und die frisch geschulten Mitarbeitenden freuen sich, die allerneueste Technologie endlich in Betrieb nehmen zu dürfen. Doch die erwartete und zugesicherte Performance wird auch nach mehrfacher Korrektur der Fertigungsparameter einfach nicht erreicht. Schlimmer noch: Es kommt zum Crash des Werkzeugs mit dem Werkstück. Nach dem ersten Schock macht sich Frust breit und die Geschäftsführung reklamiert persönlich beim Maschinenproduzenten. Der erfahrene Servicetechniker, der am nächsten Tag vor Ort ist, diagnostiziert rasch die Ursache des Fehlverhaltens:

Die betriebsinterne IT-Abteilung hatte den Steuerungs-PC ins IT-Inventar aufgenommen und gemäß Policy ein Anti-Malware-Programm installiert. Genau dieser Schutzring entpuppt sich jedoch als Showstopper für die ordnungsgemäße Funktion der Maschine – die Sicherheitssoftware verhindert die benötigte Echtzeit-Steuerung oder identifiziert die Maschinen-Software als Malware und schiebt sie in Quarantäne. Und nun?

Die IT-Branche freut sich über derlei Fragestellungen und hat verschiedene Ideen, sie für den Endkunden zu lösen. Zum Beispiel die Frage der Digitalisierung einer Maschine wie gerade beschrieben.

Es geht nicht um klassische Buzzwords der Industrie 4.0, sondern schlicht und einfach darum, dass eine Inbetriebnahme unter den verschärften IT-Compliance-Aspekten heute deutlich komplexer ist als noch vor einigen Jahren. Die Herausforderung – sowohl für den Hersteller als auch den Kunden – liegt darin, alle Digitalisierungs- und Vernetzungsvorteile der Maschine zu nutzen, ohne zeitgleich ein Einfallstor für Hacker zu bieten. Denn die können Unternehmen schnell in existenzielle Schwierigkeiten bringen und machen auch vor kleinen Unternehmen keinen Halt.

Darüber hinaus gilt: Durch das unaufhaltsame Zusammenrücken von Corporate und Operational IT sind produzierende Unternehmen gefordert, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen. Mit der Folge, dass zunehmend Produktionsverantwortliche den Kontakt zu IT-Dienstleistern suchen. Oft stellt sich dabei nach wenigen Minuten heraus, dass das scheinbar notwendige Übel, sich mit IT in der Produktion beschäftigen zu müssen, eine große Chance für das Unternehmen ist und die auf die lange Bank geschobene Digitalisierung der Produktion strategisch angegangen werden kann. Anhand einer initialen Analyse der aktuellen und zukünftigen Werteflüsse kann ein sogenanntes Enterprise-Architecture-Modell erstellt werden. Es stellt die auf IT abgebildete Wertschöpfung dar und hilft dabei, die Übersicht zu bewahren. Gleichzeitig entstehen die Entscheidungsgrundlagen für sinnvolle Maßnahmen und deren optimale Reihenfolge.

Fazit: Für eine erfolgreiche Digitalisierung in der Maschinenhalle ist es entscheidend, nachhaltige Infrastrukturen zu konzipieren und zu implementieren. Und das auf Basis der unterschiedlichen Sicherheitsanforderungen von Unternehmens- und Produktions-IT. Bereits getätigte Investitionen mit digitalen Features, die beispielsweise aufgrund der bisherigen Firewall-Regelungen noch „brachliegen“, können auf diese Weise sofort produktiv gemacht werden. Gerade vorhandene, aber noch ungenutzte Technologien beschleunigen die Digitalisierung der Produktion und können zu einem schnelleren positiven Business Case führen. Anhand eines belastbaren Architekturmodells können ferner der Reifegrad der jeweiligen Organisation und die erforderlichen Investitionen, Menschen, Technologien und Prozesse bestimmt werden. So kann auch der Shopfloor zielsicher auf das in der Unternehmens-IT oftmals erreichte hohe Digitalisierungsniveau gehoben werden.

 

 

Florian Kronenbitter ist seit 2022 Geschäftsführer des Bechtle IT- Systemhauses Rottenburg. Als IT-Leiter bei der Porsche Tochter MHP Management- und IT-Beratung sowie in insgesamt 15 Jahren beim Maschinenbauer Homag sammelte er tiefe Einblicke in die IT-Anforderungen unterschiedlichster IT-Organisationen. Gemeinsam mit seinem Team hat er sich der Aufgabe verschrieben, Unternehmen in der Region Nordschwarzwald und Neckar-Alb als IT-Zukunftspartner in allen Belangen der digitalen Transformation zu begleiten und zu unterstützen.

 

 

 

Bechtle update 01/2023.

Dieser Artikel ist ein Auszug aus der Printausgabe Bechtle update 01/2023. Mehr zum Thema lesen Sie dort ab Seite 32.
 

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