Die Utopia-Studie 2022 „Die grüne Mitte – wie  Nachhaltigkeit den Konsum grundlegend verändert“ hat zum dritten Mal nach 2017 und 2020 die Einstellungen, Erwartungen und Wünsche zu Nachhaltigkeit, Konsum und Lebensstil ermittelt. Neben 10.000 Nutzer:innen von Utopia.de wurden erstmals auch Teilnehmer:innen einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage einbezogen.

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Nachhaltigkeit in Deutschland nunmehr „in der Mitte der Gesellschaft fest verankert“ sei. Von sechs definierten Konsumtypen werden drei als besonders nachhaltigkeitsaffin angesehen, die 41 Prozent der Bevölkerung und damit fast 30 Mio. Menschen repräsentieren.

Wie wichtig ist Ihnen Nachhaltigkeit und welcher Konsumtyp sind Sie? 

Neun Prozent der Bevölkerung bilden also die Speerspitze des nachhaltigen Konsums in Deutschland. Sie sind: „Die Konsequenten”. Sie legen größten Wert auf Nachhaltigkeit, sind top informiert und anspruchsvoll. Sie konsumieren bewusst wenig und ganz gezielt. Ihre Kaufentscheidungen reflektieren die sozialen und ökologischen Herstellungsbedingungen von Produkten.

16 Prozent sind „Green Shopper”: nicht ganz so konsequent, weil sie durchaus gern konsumieren – dabei am liebsten schöne Dinge, die möglichst nachhaltig produziert werden. Weitere 16 Prozent „Bedächtige” und 22 Prozent „Gelegentliche” vervollständigen den Anteil derjenigen, die nicht „sorglos” oder sogar „ablehnend” sind, auf insgesamt 63 Prozent der Befragten. Das ist eine repräsentative Mehrheit der Deutschen.

Das Problembewusstsein dahinter ist sogar noch weiter verbreitet. 80 Prozent, also drei von vier Deutschen „sehen durch den Klimawandel auch die Lebensgrundlagen in Deutschland bedroht”. Und 62 Prozent geben an, bestimmte Produkte aus ökologischen oder ethischen Gründen nicht zu kaufen. Aber: Wer ist auch bereit, für umweltfreundlichere oder fair hergestellte Produkte mehr zu bezahlen bzw. dafür mehr Aufwand zu betreiben? Hier sieht man, dass die Mehrheit sich schwer tut. Zwischen Wollen und Tun besteht also immer noch eine Diskrepanz.

62 % kaufen bestimmte Produkte aus
Nachhaltigkeitsgründen grundsätzlich nicht.
 

Werden Smartphones jetzt grün?

Generell gilt: In fast allen Konsumbereichen wird Nachhaltigkeit für Verbraucher:innen immer wichtiger. Nachhaltige Produkte und Angebote erwarten Befragte vor allem in den Bereichen Ernährung, Körperpflege & Kosmetik, Energie und Haushaltsartikel. Spannend ist: Die Bedeutung wächst am meisten auf Gebieten, in denen nachhaltige Angebote bislang noch keine so große Rolle spielten:  Banken und Versicherungen, Elektronik und Smartphones, Reisen und Elektrogeräte. 

Die Erfahrung hat nun gezeigt, dass Konsumtrends sich früher oder später auch auf die Geschäftswelt auswirken, besonders bei digitaler Technologie. Der dafür geprägte Begriff heißt „Consumerization“. Ein typisches Beispiel ist die mobile Arbeitswelt. Überall erreichbar zu sein und Zugang zum Internet zu haben, war zuallererst mit dem privaten Smartphone möglich – und dann eine Selbstverständlichkeit. Mit der Zeit wuchs die Erwartung: Das muss doch auch bei der Arbeit machbar sein. Unternehmen haben zwar eine ganze Weile gebraucht, den Anforderungen, vor allem an Datenschutz und -sicherheit, zu entsprechen. Heute ist das aber alles geregelt und man kann von nahezu überall arbeiten.

Lassen sich also auch die Ergebnisse der Utopia-Studie zum Privatkonsum auf die Arbeitswelt übertragen? Fragen wir Arthur Schneider, Leiter Nachhaltigkeitsmanagement von Bechtle. Er sieht Parallelen, auch bei den Konsumtypen – sprich: den Arten der IT-Beschaffung. Es gebe die „Konsequenten”, etwa öffentliche Auftraggeber, die bei Ausschreibungen explizit Nachhaltigkeitskriterien zugrunde legen und dazu auch politisch verpflichtet wurden. Große Unternehmen sind ebenfalls besonders ambitioniert, nicht zuletzt um ihre Lieferketten nach neuen gesetzlichen Anforderungen auszurichten. Ein Beispiel ist die Automobilindustrie mit ihren vielen Zulieferern und immer mehr IT-Anteilen. Größe ist auf jeden Fall ein Kriterium. Je kleiner die Unternehmen, desto eher kann man diese noch den „Bedächtigen” zurechnen. Aber die wachsende Bedeutung ist auch dort spürbar.

 

83 % der „Konsequenten” sind bereit, für umweltfreundlichere oder fair hergestellte Produkte mehr auszugeben.
 

Unternehmen erkennen, dass Nachhaltigkeit ihren Kund:innen und Mitarbeitenden immer wichtiger wird. Ob in der IT oder in anderen Branchen. 


Arthur Schneider, Leiter Nachhaltigkeitsmanagement, Bechtle AG


Vom Siegel zu integrierter Nachhaltigkeit.

Und der Beratungsbedarf ist groß, die Kunden suchen Sparringspartner, um sich auszutauschen. „Es vergeht kein Tag mehr, ohne dass eines der Bechtle IT-Systemhäuser hierzu eine Anfrage erhält”, sagt Arthur Schneider. Es sei auch um gekehrt genau das richtige Thema, um Kundentermine zu akquirieren. 

Bei der Hardware gibt es – analog etwa zu Bio-Siegeln – verschiedene Labels für die Energieeffizienz (wie den Energy Star) oder für soziale Herstellungsstandards (z. B. TCO Certified). Die entsprechende Produktkennzeichnung ist auch im Bechtle Webshop wichtiger geworden. Aber die Hersteller belassen es nicht dabei, sondern gehen jetzt ans Eingemachte. Ein Beispiel ist das modulare und damit besser reparierbare Fairphone, das Bechtle ebenfalls verkauft, wenn auch nicht in den Stückzahlen der marktführenden Smartphones. Große Marken wie Dell und HP verfolgen bei Notebooks ähnliche Konzepte. Damit wird die Produktentwicklung grundlegend nachhaltiger ausgerichtet. Das Ganze ist eine Win-win-Rechnung: Denn die Hersteller sparen selbst Ressourcen und Kosten und ersparen der Umwelt eine Menge Elektroschrott. 

Das Fazit? Im IT-Business bewegt sich was in Richtung Nachhaltigkeit. Und um auf die Frage nach der „Consumerization” der Studienergebnisse von Utopia zurückzukommen – ohne auf Zahlen zählen zu können: Es sind eben die Menschen mit ihren ganz persönlichen Einstellungen und individuellen Verhaltensweisen, die etwas in Gang bringen. Organisationen und Institutionen brauchen Zeit, um diese Entwicklungen zu adaptieren. Ordnungspolitische Rahmenbedingungen – Beispiel Lieferkettengesetz  – können diesen Prozess beschleunigen. Aber vor allem sind es wieder die Menschen als Kund:innen und Mitarbeitende, die im Business-Umfeld entsprechende Produkte nachfragen und ihre Arbeitgeber unter Aspekten der Nachhaltigkeit auswählen. Und das erkennen und erleben immer mehr Unternehmen – mit allen „Konsequenten”.

 
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