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Bilder © Fujitsu

Aller verfügbarer Rechenleistung moderner IT-Systeme zum Trotz: Das sogenannte „Problem des Handlungsreisenden“ ist für viele Unternehmen ein massives Hindernis bei der Optimierung ihrer Abläufe. Die Problemstellung besteht in der Definition des optimalen Wegs eines Reisenden, der mehrere Orte nacheinander in einer Rundfahrt besuchen will: Dabei soll sein Weg möglichst kurz sein und außer der ersten und letzten Station soll er keinen Ort zwei Mal anfahren. Diese Optimierungsaufgabe ist, teilweise in abgewandelter Form, in der täglichen Praxis beispielsweise bei der Disposition von Lkws und der Reihenfolge der von ihnen anzufahrenden Ziele anzutreffen. Während die Disposition von wenigen Fahrzeugen und einigen wenigen Destinationen noch sehr gut händisch bewältigt werden kann, ist bei steigender Anzahl von Lkws und Bestimmungsorten ein enormer Rechenaufwand erforderlich, um alle möglichen Kombinationen zu betrachten und zu bewerten. Mit herkömmlicher IT ist der Rechenaufwand häufig nicht mehr praktikabel und rasch genug zu bewältigen.

 

Quantencomputer werden zukünftig Abhilfe schaffen, indem sie die Bewertung aller möglichen Optionen, also Reihenfolgen, gleichzeitig vornehmen. Bis sie verfügbar sein werden, können aber bereits heute derartige Optimierungsprobleme mithilfe Quanten-inspirierter Technologie wie Digital Annealing adressiert und enorm viel schneller gelöst werden. Fujitsu realisiert eine solche Technologie mit einem eigens dafür entwickelten Prozessor, der sogenannten Digital Annealing Unit.

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Digital Annealing: typische Einsatzbereiche.

Es gibt zahlreiche Handlungsfelder, in denen Digital Annealing bereits heute signifikant schnellere Lösungen von kombinatorischen Optimierungsaufgaben ermöglicht – verglichen mit klassischen Ansätzen basierend auf CPU- und GPU-Technologien. Zum Beispiel in der Logistikplanung und Produktion, bei der diskreten Optimierung im Produktdesign sowie im Portfolio- und Risikomanagement im Finanzwesen.

 

  1. 1. Logistikplanung.

Logistiker stehen regelmäßig vor der Herausforderung, die Transportstrecken von Gütern zu optimieren. Neben der Anzahl der Start- und Endpunkte sowie der zur Verfügung stehenden Transportmittel steigern auch das Transportvolumen pro Fahrzeug sowie die Bewertungen der Fahrtstrecken die Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten. Aus diesen Möglichkeiten gilt es, die beste Zuteilungs-, Strecken- und Beladungsvariante zu ermitteln – nicht nur einmalig, sondern regelmäßig wiederkehrend und das möglichst schnell.

Welches Potenzial Digital Annealing hierbei besitzt, zeigt ein Beispiel aus Japan: Die Japanische Post konnte die Anzahl der erforderlichen Transportfahrzeuge in einem Zustellbereich von 52 auf 48 reduzieren. Die Kosten sanken um sieben Prozent, gleichzeitig stieg das effektiv genutzte Transportvolumen um zwölf Prozent und die Zustellungen erfolgten im Mittel 30 Prozent schneller. In einem anderen Projekt profitierte ein US-amerikanischer Automobilhersteller durch die Optimierung seiner Intralogistik von einer Einsparung von fünf Prozent der Transportkosten.

 

  1. 2. Planung und Optimierung der Produktion.

Produktionsplaner stehen vor ähnlichen Herausforderungen, wenn es um die beste Reihenfolge der Produktionsaufträge geht, die auf Maschinen, aber auch in manuellen Arbeitsschritten, bearbeitet werden (Job Shop Scheduling). Schon bei sehr überschaubaren Aufgabenstellungen muss der Planer zwischen potenziell mehr als 10100 Alternativen eine Auswahl treffen. In der Praxis lösen Unternehmen solche Aufgaben heute noch oft durch regelbasierte Planungssysteme, deren Qualität meist begrenzt ist, weshalb häufig der Planungsleiter basierend auf eigenen Erfahrungswerten nachsteuern muss. Die Resultate sind meist deutlich vom erreichbaren Optimum entfernt. Der Trend, mit immer kleineren Losgrößen noch kundenindividueller zu produzieren, erschwert diese Art der Planung zusätzlich.

Digital Annealing ermöglicht durch einen echten Optimierungsalgorithmus dagegen eine deutlich verbesserte Auswahl aus den mehr als 10100 Alternativen. Dies erfolgt so schnell, dass die Berechnungszeit faktisch vernachlässigbar ist. So konnte beispielsweise die Bearbeitungszeit für eine Serie von 40 Produktionsaufträgen, die von sechs Dreh- und Fräsmaschinen bearbeitet wurden, um circa 30 Prozent von rund 284 auf 200 Stunden verkürzt werden. Die Berechnungszeit für die Optimierung betrug weniger als eine Minute.

 

  1. 3. Diskrete Optimierung im Produktdesign.

Auch beim Design von technischen Produkten gibt es häufig viele Variablen, die es unter Berücksichtigung bestimmter Vorgaben bei der Optimierung zu berücksichtigen gilt. Das Design eines Kabelbaums in einem Kraftfahrzeug muss beispielsweise hunderte von Kontaktpunkten im Fahrzeug so miteinander verbinden, dass insgesamt möglichst wenig Kabelstrecke verbaut wird. Dabei sind diverse Rahmenbedingungen einzuhalten, zum Beispiel dürfen Signal- und Versorgungskabel nicht unmittelbar nebeneinander liegen. Auch wenn nicht für jedes Fahrzeug der jeweilige Kabelbaum neu berechnet wird, sind schnelle Optimierungen mit sehr guten Ergebnissen elementar, da im Designprozess häufig viele Wiederholungen, sogenannte Iterationen, der Berechnungen unter Berücksichtigung auch anderer Planungsaspekte durchlaufen werden müssen.

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  2. 4. Portfolio- und Risikomanagement im Finanzwesen.

Risiko- und Portfoliomanager in Finanzinstituten stehen vor der Aufgabe, viele Einzelpositionen geschickt bündeln zu müssen, um sogenannte Pakete mit vorgegebenen Risikoprofilen zu erzeugen. Dabei gilt es, die Rahmenbedingungen bestmöglich zu nutzen, um ein möglichst diversifiziertes beziehungsweise risikogestreutes Portfolio zu erzeugen, was leichter umgesetzt werden kann.

Fujitsu hat beispielsweise gemeinsam mit Main Incubator, der Forschungs- und Entwicklungseinheit der Commerzbank, ein Proof-of-Concept-Projekt im Bereich Kreditportfolio-Management erfolgreich abgeschlossen. Konkret ging es um eine verbesserte Auswahl und Bündelung von Forderungen aus Leasing-Verträgen für Kraftfahrzeuge. Ziel war die Optimierung des Auswahlprozesses von einigen tausend Einzelforderungen zu einem Verbriefungsportfolio. Bei diesem Auswahlprozess sind mehrere kritische Faktoren gleichzeitig zu berücksichtigen. Dazu gehören neben regulatorischen Vorgaben auch absolute Volumen-Begrenzungen sowie prozentuale Limitierungen für bestimmte Forderungsmerkmale, um eine größere Risikostreuung zu erreichen. Auch hier: Mit Digital Annealing kann Main Incubator die Berechnungen genauer und schneller durchführen.

Neben Main Incubator nutzt beispielsweise auch das britische Kreditinstitut NatWest Digital Annealing. Es unterstützt die Bank dabei, einige ihrer komplexesten und zeitaufwendigsten Finanzanlageentscheidungen zu optimieren.

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Die Technik dahinter.

Für kombinatorische Optimierungsprobleme, die in Form sogenannter QUBOs (Quadratic Unconstrained Binary Optimization) formuliert sind, kann Simulated Annealing mögliche optimale Lösungen finden. Die Fujitsu Digital Annealing Unit (DAU) ist die Realisierung des Simulated Annealing Algorithmus in einem Silizium-basierten CMOS-Chip direkt in der Hardware mit dem Fokus auf eine massive Parallelisierung und numerische Optimierung. Dadurch lassen sich solche Problemklassen bis zu 10.000 Mal schneller berechnen als mit vollständigen Simulationen auf klassischen Architekturen, sofern diese darauf überhaupt praktikabel möglich sind.

 

Ein geeignetes Modell für die meisten Unternehmen ist der Bezug von Digital Annealing als Service. Dabei wird der Digital Annealing Cloud Service über Application Programming Interfaces (APIs) an die Unternehmens-IT angebunden. Unterstützt wird dies durch begleitende Services, denn Quantencomputing-inspirierte Rechner erfordern ein spezielles Know-how, um Aufgabenstellungen für das System passend aufzubereiten.