Rückblick 21.10.2015

Zwischen Spatenstich und Systemwende.

Bechtle Greenfield im IPAI Heilbronn: Vom Egosystem zum Ökosystem Verantwortung für KI neu denken.
Zufall oder Symbolik? Während auf dem Areal Steinäcker in Heilbronn der Spaten für den neuen IPAI-Campus in die Erde sticht, bauen sich nur wenige hundert Meter entfernt im Zukunftspark Wohlgelegen rund dreißig Teilnehmerinnen und Teilnehmer in eine andere Art Fundament: die Voraussetzungen für den verantwortungsvollen Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Unternehmen. 

Das Thema.

Ready for Responsible AI – mit dem EU AI Act zur AI Governance.
Welche wesentlichen Capabilities brauchen Organisationen, um KI-Lösungen verantwortungsvoll und wirksam im Sinne des EU AI Act einzusetzen – und wie können wir gemeinsam bestmöglich zu deren Aufbau und Bereitstellung beitragen?

Der Ort.

Der Innovationspark Künstliche Intelligenz (IPAI) in Heilbronn ist ein offenes Ökosystem für angewandte KI. In Open Spaces, Workshops und Events Unternehmen, entwickeln Start-ups, Forschung und öffentliche Einrichtungen gemeinsam Lösungen für Wirtschaft und Gesellschaft. Über 60 Partner, darunter die Deutsche Telekom, engagieren nuten die Infrastruktur – getragen von Dieter Schwarz Stiftung, der Stadt Heilbronn und der IPAI Management GmbH – als Plattform für Innovation, Wissenstransfer und Vernetzung. Mehr Informationen finden Sie unter www.ip.ai

Participantes at Rückblick 21.10.2015

Die Methode.

Die Decider-Methode entwickelt von Dr. Gunter Nittbauer  – hat sich hundertfach bewährt, um aus vielfältigem Input in einem iterativen und strukturierten Prozess konkrete Handlungsempfehlungen zu entwickeln, die von allen Beteiligten unterstützt werden. Einzelheiten finden Sie auf www.decider.one.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Mehr als 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – von Industrieunternehmen über Mittelständler bis zu Tech-Dienstleistern – aus unterschiedlichen Fachbereichen.


Verantwortung für KI neu denken.

Greenfield ist die Plattform jenseits klassischer Hierarchien und Rollenbilder. Hier dreht sich alles um Inspiration, Konkretisierung und Vernetzung. Greenfield-Veranstaltungen schaffen Räume, in denen nicht nur Perspektiven aufeinandertreffen, sondern Orientierung entsteht.
Das Thema des Tages: der European AI Act – und die Frage, wie Governance, Kultur und Praxis zu einem tragfähigen Rahmen zusammenwachsen. Es geht nicht um das Für und Wider von Regulierung, sondern um Reife im Umgang mit ihr. Oder, wie es einer der Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausdrückt:

KI braucht Haltung – keine Helden.
Discussion rounds at Rückblick 21.10.2015
Discussion rounds at Rückblick 21.10.2015
Discussion rounds at Rückblick 21.10.2015
Von Schwarmintelligenz zu richtungsweisenden Erkenntnissen.

Mithilfe der Decider-Methode wollen verschiedene Teams in kurzen, intensiven Diskussionsrunden Lösungsansätze für reale Fragestellungen entwickeln: Wie wird KI in bestehende Prozesse integriert? Wie entsteht Transparenz über Datennutzung und Modellentscheidungen? Welche Verantwortlichkeiten braucht eine Organisation, um KI nicht nur zuzulassen, sondern zu beherrschen?
Die Decider-Methode macht sichtbar, was oft verborgen bleibt: Wo in Unternehmen Entscheidungsblockaden entstehen, wie unterschiedlich die Perspektiven auf Risiko und Nutzen sind – und wie produktiv der Perspektivwechsel sein kann, wenn er gut geführt ist. Greenfield-Workshops leben von dieser Dynamik. Sie transformieren Diskussionen in Handlung.


KI ist ein Kulturprojekt.

Die zentrale Erkenntnis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer: KI ist kein IT-Projekt. Sie ist ein Kulturprojekt.
 Nicht die Technologie selbst entscheidet über Erfolg oder Scheitern, sondern die Fähigkeit, sie im Arbeitsalltag zu verankern.
Die Diskussionen offenbaren, wie tief dieser Wandel reicht. Viele Organisationen haben bereits Prozesse und Daten harmonisiert, aber kaum Strukturen geschaffen, um Lernen und Anpassung dauerhaft zu verankern. Es fehlt weniger an Tools als an Vertrauen – in Systeme, Daten und Menschen.
Mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer berichten, dass KI-Projekte im Stillen begonnen werden – oft als Einzelinitiativen in Fachabteilungen.

Wenn wir keine Strategie haben, machen es die Mitarbeitenden trotzdem.

Die Frage lautet also nicht, ob KI im Unternehmen Einzug hält, sondern wie bewusst dies geschieht.


Governance schafft Orientierung.

Der EU AI Act wirkt in dieser Diskussion wie ein Brennglas. Die Grundidee, nämlich ein risikobasierter Ansatz, zwingt Unternehmen zu Differenzierung: Nicht jede Anwendung ist kritisch, aber jede braucht Klarheit. Hochrisiko-Systeme wie biometrische Erkennung oder automatisierte Personalentscheidungen erfordern formale Prozesse: Risikomanagement, technische Dokumentation, Daten-Governance, Nachvollziehbarkeit.
Was zunächst nach Regulierung klingt, kann auch ganz anders interpretiert werden: als Leitfaden für Qualität.

Der EU AI Act schafft zum ersten Mal in der ganzen EU Rechtssicherheit, bei der Entwicklung von KI. Und das ist genau, was Unternehmen brauchen, um zu investieren. In den USA zum Beispiel definiert jeder Staat eigene Rahmenbedingungen. Dort ist die Entwicklung von KI deutlich schwieriger zu managen.

Marcus Schüler, Bechtle

Viele der Anforderungen – Robustheit, Sicherheit, Transparenz – sollten ohnehin zum Standard gehören. In diesem Sinne ist der AI Act kein Innovationshemmnis, sondern ein Weckruf: Wer seine Systeme versteht, gewinnt Geschwindigkeit.
Entscheidend ist die Übersetzung dieser Prinzipien in den Unternehmensalltag. Erst durch klare Rollen, durch Standards für Datenqualität, durch ein gemeinsames Verständnis ethischer Leitlinien, werden aus Governance-Prinzipien differenzierende Wettbewerbsvorteile.

Discussion rounds at Rückblick 21.10.2015
Cloud und KI – Architektur und Applikation.

Wer über Datenqualität spricht, streift damit implizit oder explizit auch immer das schwierige Thema der Souveränität. Das Zusammenspiel von Cloud und KI ist essentiell – die benötigten Kapazitäten lassen die meisten IT-Budges schneller schmelzen als die Sommersonne ein Pfund Butter. Melanie Schüle, Geschäftsführerin von Bechtle Clouds und eine der Gastgeberinnen und Impulsgeberinnen des Tages bringt es auf den Punkt:

Ohne Cloud keine skalierbare KI, keine Sicherheit, keine Geschwindigkeit.

Die Cloud ist das Fundament, KI die Anwendung – beides gehört untrennbar zusammen. Doch gibt es einem Markt, der von Hyperscalern geprägt ist, souveräne Alternativen? In Ansätzen, wie Teilnehmerinnen und Teilnehmer erörtern: Anbieter wie Schwarz oder IONOS zeigen, dass Europa technologisch aufgeholt hat, wenn es darum geht, Leistungsfähigkeit und Datensouveränität in Einklang zu bringen. Es gilt, aus der Vielfalt der Angebote ein funktionierendes Ökosystem zu formen. Jetzt müssen die Weichen gestellt werden, um From Ego-System to Eco-System zu gelangen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind sich einig,

Innovation entsteht nicht im Monopol, sondern im Zusammenspiel.

Fehlerkultur ist Teil der Zukunftsstrategie.

„Human in the Lead“: Wer die künstliche Intelligenz nach ihrem Zweck fragt, erhält von derselben immer dieselbe Antwort. Sie ist ein Werkzeug. Kein Initiator. Kein von Erkenntnisdrang getriebener Forscher. Kein Künstler auf der Suche nach Ausdruck. 
Wie bei jedem Werkzeug braucht es eine Einarbeitung. Wer an einer Drehbank schon mal einen Drehmeißel falsch eingespannt hat, der weiß a) das Fehler passieren können und b) alle aus solchen Fehlern lernen, um zukünftigen Schaden abzuwenden. 
Vergleichbares gilt für den Einsatz künstlicher Intelligenz. Wer Werkzeuge nutzt, kann – und darf in Grenzen – Fehler machen. Doch in vielen Organisationen herrscht noch eine alte Logik: Fehler werden verschwiegen, nicht geteilt. Im Kontext von KI ist das fatal. Eine offene Fehlerkultur steht für Transparenz, für einen stetigen Verbesserungsprozess. Wer offenlegt, warum ein Use Case nicht funktioniert hat, schafft Wissen, das skalierbar wird. Ohne diese Offenheit kann KI kein Werkzeug zur Wertschöpfung werden. Drin sind sie alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig.


Vor Technik kommt Haltung

Getragen von kooperativer Gestaltungslust und inspiriert von weiteren kurzen Impulsen entstehen am Ende des Tages 89 frische, konstruktive Ideen – von KI-Kompetenzprogrammen über Ethikleitlinien bis zu konkreten Vorschlägen für Nachvollziehbarkeit und Fairness.

Participantes at Rückblick 21.10.2015
Participantes at Rückblick 21.10.2015
Participantes at Rückblick 21.10.2015

The Sate of AI.

Ein kurzer – leidlich repräsentativer – Abgleich der Status unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigt, wo Unternehmen aktuell stehen und was die größten Herausforderungen sind:

  • Nachvollziehbarkeit: hier gibt es einen hohen Handlungsbedarf. Versionierung und Lebenszyklen von KI-Modellen sind selten dokumentiert.
  • Fairness-Management: das Erkennen und Reduzieren von Verzerrungen wird als zentrale Herausforderung benannt.
  • Lernfähigkeit: kontinuierliches Lernen aus Projekten ist noch kaum strukturell verankert.
  • Ethische Leitlinien: vorhanden, aber selten angewendet oder sanktioniert.

Verantwortung wird zum Wettbewerbsfaktor

Diese Daten sprechen eine klare Sprache: KI-Readiness ist kein Zustand, sondern eine Reise. Und sie beginnt nicht im Rechenzentrum, sondern im Bewusstsein.
Wer KI nutzt, übernimmt Verantwortung – für Daten, Prozesse und Menschen. Diese Verantwortung ist kein moralisches Ornament, sondern ökonomisch relevant. Unternehmen, die Standards für Responsible AI etablieren, schaffen Vertrauen bei Kunden, Investoren und Partnern.
Der Tag im IPAI in Heilbronn verdeutlicht: Verantwortlichkeit ist skalierbar. Sie lässt sich in Prozesse übersetzen, orientiert an den grundlegenden Governance-Richtlinien und flankiert vom EU AI Act, in klaren Zuständigkeiten fassen. Wer diese Übersetzung schafft, gewinnt doppelt – regulatorisch compliant und organisatorisch resilient.


Vom Workshop in die Wirklichkeit

Am Ende des Tages steht kein fertiger Plan, sondern ein erfrischtes Bewusstsein. Einer er Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Ich kam in der Überzeugung bereits alles berücksichtigt zu haben. Heute habe ich verstanden, dass Offenheit mehr Wert hat als Gewissheit.

So geht es allen: Die Teilnehmer:innen verlassen den Raum nicht mit einer Checkliste, sondern mit einem Kompass. Sie wissen: KI ist keine Technologiefrage, sondern eine Führungsaufgabe.
Bechtle Greenfield hat einmal mehr die selbstgesteckten Ziele erreicht, indem es gezeigt hat, dass Zusammenarbeit über Sektorengrenzen hinweg nicht nur möglich ist, sondern notwendig. Dass Regeln Orientierung geben können, ohne Innovation zu ersticken. Und dass aus Diskussion Verantwortung entsteht.
Draußen wird währenddessen weiter gebaut, am Campus, am Fundament, an der Zukunft. Drinnen bleibt der Satz, der sinnbildlich über diesem Tag steht:

Wer heute handelt, gestaltet morgen – und zwar gemeinsam.