„Wir haben festgestellt: Das wird nicht funktionieren“, erzählt Michael Bauder, Teilprojektleiter im Smart-City-Projekt DATEN:RAUM:FREIBURG in der südlichsten Großstadt Deutschlands. Der Grund: Flächendeckend vorhandene Radverkehrsdaten, beispielsweise über Bewegungsdaten aus Mobilfunkanalysen, lassen sich nur unzureichend genau auf das Radverkehrsnetz verorten. Nur aufwendig und mit deutlicher Verzögerung kann man sie vom automatisch miterfassten Fuß- und Autoverkehr trennen. Andere flächendeckende Datenquellen sind weit entfernt von Repräsentativität (z.B. Fitness-Apps) oder lediglich einmalige punktuelle Erhebungen (z.B. Kampagnendaten wie „Stadtradeln“).

Fokus auf sensorgestützte Echtzeit-Erfassung.

Damit müsse man auch ganz offen umgehen und dann sein Zielbild anpassen, so Bauder. Das heißt in diesem Fall, entweder von „flächendeckend“ oder von „Echtzeit“ abzurücken. So wird das Projekt nun auf die sensorgestützte Echtzeit-Erfassung des Radverkehrs an ausgewählten Punkten fokussieren, um einen kontinuierlichen Fluss an Daten zu erhalten, der auch Einblicke in die aktuelle Verkehrslage, etwa bei Veranstaltungen, ermöglicht.

Beim Ausprobieren darf man scheitern.

 „Wir brauchen den Mut zum Scheitern“, spricht Michael Bauder weiter. Gewisse Rahmenbedingen sind eben nicht zu ändern, das müsse man erkennen. Entscheidend sei dann, wie man mit den gewonnenen Erkenntnissen umgeht und das Projekt produktiv umsteuert. Das Beispiel der Erfassung des Radverkehrs zeigt, wie man in Freiburg heute bei Digitalisierungsprojekten vorgeht: Man baut einen Prototypen für einen konkreten Anwendungsfall. Wenn das Team bei der praktischen Umsetzung feststellt, dass Anpassungen notwendig sind, wird bereits in diesem frühen Projektstadium der künftige Echtzeitbetrieb verbessert. „Wenn wir scheitern, dann beim Ausprobieren – und nicht im Betrieb“, bringt es Michael Bauder auf den Punkt. Das klingt zwar sehr nach amerikanischer Start-up-Mentalität, resultiert in Freiburg aber daraus, von klassischen und eingefahrenen Verhaltens- und Vorgehensweisen abweichen zu wollen, weil sie nicht passen.


Vieles ist unbekannt, vieles ist offen, vieles ist neu – alles ist dynamisch. Und es gibt so viel zu tun, dass wir über Jahre hinaus beschäftig sein werden.

Michael Bauder, Teilprojektleiter im Smart-City-Projekt DATEN:RAUM:FREIBURG


Digitalisierung braucht Mut und Offenheit.

Für Michael Bauder sind zwei Faktoren wesentlich für den langfristigen Erfolg von Digitalisierungsprojekten: Mut und Offenheit„Wir haben in der Vergangenheit viel gelernt“, fasst er die Lehren aus bisherigen Projekten und aus Gesprächen mit anderen Kommunen zusammen. Hinzu kommen eigene Erfahrungen mit IT-Infrastruktur und insbesondere die Beschäftigung mit dem Thema Open Source. Für Freiburg gilt: Wenn man ein Smart-City-Produkt haben möchte, das mehrere Anbieter betreiben und weiterentwickeln können, dann müssen die Standards und Schnittstellen nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft passen. Dabei schwingen genau jener Mut und jene Offenheit mit, die Freiburg zu einem viel beachteten und oft gelobten digitalen Vorreiter in der Stadtentwicklung machen – besonders im Bereich Mobilität.

Freiburgs Digitalstrategie:

Um Antworten auf die Frage „Wie möchte sich Freiburg entwickeln?“ zu erhalten, sind in zahlreichen Workshops die Wünsche, Bedürfnisse und auch die Ängste der Bürgerinnen und Bürger im Hinblick auf die Digitalisierung gesammelt worden. Aufbereitet nach Themenfeldern sind daraus die grundsätzliche Digitalstrategie formuliert sowie Handlungsfelder bestimmt worden. Um laut Michael Bauder nicht „zu utopisch“ zu werden, hat man einen zeitlichen Rahmen gesetzt. Die zentrale Basis-Maßnahme ist das Projekt DATEN:RAUM:FREIBURG. 2025 wird die Digitalstrategie nach einem Abgleich mit der Realität fortgeschrieben – mit neuen Technologien, neuen Ideen und neuen Einflüssen.

Der gesellschaftliche Nutzen ist der Maßstab.

In Freiburg reagiert man auf solches Lob mit Freude, aber trotzdem eher verhalten: „Man sagt uns, wir sind weit. Aber das stimmt nicht. Wenn ich mich international umschaue, da liegen andere weit vor uns“, ordnet Michael Bauder ein. Aber in jedem Fall gilt: Die Ziele in Freiburg bleiben ambitioniert – und ausgerichtet an den Wünschen und Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger. Bewertet werden sie am Ende am konkreten gesellschaftlichen Nutzen.

Erfahrung führt zum Ziel.

Bis zur finalen Umsetzung des Smart-City-Projekts steht im Vordergrund, weiterhin lernbereit zu bleiben und mit den gemachten Erfahrungen das Projekt iterativ zu optimieren. Vereinfacht gesagt: In Freiburg führt die Erfahrung zum Ziel. „Und das ist, was wir mit Bechtle machen: ambitionierte Wege gehen“, sagt Bauder zur Wahl von Bechtle als IT-Partner – auch abseits bekannter Pfade. Bechtle habe die passende Denkweise und Kompetenz für das Projekt DATEN:RAUM.FREIBURG.


Was bringen Smart-City-Konzepte eigentlich?

„Gemeinschaftlich in langfristigen Kooperationen und Netzwerken zu denken, ist essenziell für den Erfolg von Digitalisierungsprojekten im Allgemeinen und von Smart-City-Projekten im Besonderen“, sagt Claudius Schaufler, Senior Expert Smart City bei Bechtle. „In Freiburg arbeiten wir auf Augenhöhe mit der Stadt zusammen und haben drei weitere Technologiepartner eingebunden, um Schritt für Schritt Lösungen zu entwickeln, die dann im Zusammenspiel der Daten noch größeres Potenzial entfalten.“

Kombiniert man die Daten miteinander, lassen sich in einem digitalen Stadt-Modell Abhängigkeiten besser erkennen, Veränderungen schneller darstellen und Maßnahmen gezielter planen. Beispiele sind der Zusammenhang von versiegelter Fläche und steigender Umgebungstemperatur oder von Einzelhandelsumsätzen und der Verfügbarkeit von Parkplätzen respektive Erreichbarkeit mit ÖPNV oder Fahrrad.

So basiert Stadtentwicklung auf nachweisbaren Fakten und gewinnt zusätzlich an Geschwindigkeit. Genau das passiert gerade in Freiburg: die zukunftsfähige Gestaltung der städtischen Infrastrukturen, die auch in den Jahren nach der Förderung den funktionalen Anforderungen und den sozialen Bedürfnissen gleichermaßen gerecht werden.

Schon gewusst?

DATEN:RAUM:FREIBURG.

Daten Raum Freiburg ist ein Smart-City-Modellprojekt mit dem Ziel, Daten aus verschiedenen Quellen zu verknüpfen und zu bündeln, um sie auszuwerten und weitere Anwendungen zu ermöglichen. So soll bis 2025 eine funktionierende Dateninfrastruktur für alle künftigen Smart-City-Anwendungsfälle zur Verfügung stehen.

Aktuelle Schwerpunkte sind Mobilität, Stadtsimulation und Beteiligung als „Connected Participation“. Entsprechend werden zwei Prototypen entwickelt und getestet: eine digitale Vermarktungsplattform für städtische Grundstücke und eine Übersicht für Mobilitätsdaten in Freiburg. Ziel ist zum einen ein digitaler Zwilling des Stadtteils Dietenbach und zum anderen die Optimierung des gesamten Verkehrs der Stadt.

Das Projekt erhält vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen eine Förderung von 8,3 Millionen Euro. Dabei hat der Gemeinderat einem Eigenanteil von 4,5 Millionen Euro zugestimmt. Der Förderzeitraum dauert bis Ende 2025.

Innovative Vergabe.

Die innovative Vergabe ist ein EU-Instrument, um europaweite Ausschreibungen speziell für digitale Projekte angemessen gestalten zu können: Statt konkrete Endergebnisse vorzugeben, erarbeiten die beauftragten Unternehmen in aufeinanderfolgenden Schritten Teilergebnisse. Passen die Ergebnisse nicht, können die Unternehmen ausgetauscht werden. Weicht man zu weit vom Projektziel ab, kann die Vergabe komplett gestoppt werden. Als Grund für dieses Vorgehen benennt Freiburg die Unzulänglichkeit bisheriger Vergabeinstrumente vor allem im digitalen Bereich.

 
Kontakt.

Bechtle update Redaktion
update@bechtle.com

 
Zum Thema.
  • Public Sector: So wird die Smart City zur Realität
  • Public Sector: Mit Bechtle zur digitalen Souveränität
  • Artikel: Neue Möglichkeiten der Digitalisierung für Städte
  • Blog: Was macht eigentlich ein Senior Expert Smart City?

 

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